Im September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, dass die tägliche Arbeitszeit aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab sofort ab sofort aufgezeichnet werden muss. Mit der Veröffentlichung der schriftlichen Begründung der Richter im Dezember 2022 wurden noch bestehende Unklarheiten hinsichtlich der Umsetzung dieser Verpflichtung geklärt.
(1) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Beschäftigten müssen ab sofort erfasst werden. Das Gericht geht in seinem Urteil davon aus, dass bereits eine gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung besteht. Folglich gibt es keine Übergangsfrist. Es obliegt dem Betrieb bzw. der Dienststelle, die Aufzeichnung der Arbeitszeit umzusetzen. Arbeitgeber, die dieser Verpflichtung nicht nachkommen, müssen mit Bußgeldern rechnen.
Wichtig: Beschäftigte müssen nicht von sich aus (ohne Anweisung durch die Arbeitgeber:in) ihre Arbeitszeit erfassen.
(2) Die Arbeitgeber:in darf die Pflicht zur Aufzeichnung an die Beschäftigten delegieren. Eine bestimmte Methode zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten wird vom Gericht nicht vorgeschrieben. Im Urteil wird allerdings die die Einführung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems“ verlangt. Diese Vorgaben sprechen eher für eine digitale Lösung als für eine Aufzeichnung mit Papier und Bleistift. Der Betrieb muss den Beschäftigten die notwendige technische Ausstattung zur Verfügung stellen – es kann nicht verlangt werden, eine App zur Zeiterfassung auf einem privaten Smartphone zu installieren.
(3) Arbeitszeitmodelle mit Vertrauensarbeitszeit sind weiterhin möglich, soweit darunter die eigenverantwortliche Planung der eigenen Arbeitszeit verstanden wird. Modelle ohne Erfassung der Arbeitszeit sind zukünftig aber ausgeschlossen. Die für viele Wissenschaftler:innen am UKE geltende Gleitzeitregelung sollte also voraussichtlich weiterhin möglich sein. Anders als bisher müssten dann aber nicht nur Abweichungen zwischen Sollarbeitszeit und tatsächlicher Arbeitszeit (Minus-/Plusstunden), sondern zusätzlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit erfasst werden.
(4) Die Regelungen zur Erfassung der Arbeitszeit gelten für alle Beschäftigten. Für Führungskräfte kann es aber Ausnahmeregelungen geben, wenn „die Dauer ihrer Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht bemessen und/oder vorherbestimmt ist“. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber diese Möglichkeit zur Ausnahme nutzt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat eine gesetzliche Neuregelung der Arbeitszeiterfassung für 2023 angekündigt. Dabei soll insbesondere die Möglichkeit der digitalen Erfassung der Arbeitszeit geprüft werden, um „praxistaugliche Lösungen“ zu finden.