Rechtsmissbrauch durch Kettenverträge in der Wissenschaft?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Entscheidung zu Befristungstatbeständen in der Wissenschaft zwei Grundsätze ausformuliert, die für die befristete Beschäftigung nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) zukünftig maßgeblich sein werden. Die Grenze zwischen einer missbräuchlichen Ausnutzung des WissZeitVG und einer rechtskonformen Befristung verläuft entlang eines erkennbaren Qualifizierungszieles, dem die Beschäftigung zu dienen hat.

Konkret schreibt das BAG:

1. Die Befristung eines Arbeitsvertrags kann trotz Vorliegens eines Sachgrunds für die Befristung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam sein. Dies gilt auch für Befristungen im Hochschulbereich, die auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung nach § 2 Abs. 2 des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) gestützt werden. Für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs können insbesondere eine sehr lange Gesamtdauer des Beschäftigungsverhältnisses und/oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sprechen.

2. Gegen eine missbräuchliche Ausnutzung der Befristungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG sprechen hingegen Beschäftigungszeiten im Hochschulbereich, die der wissenschaftlichen Qualifikation des Mitarbeiters dienen, unabhängig davon, ob diesen Arbeits- oder Beamtenverhältnisse auf Zeit zugrunde liegen.

Zwar hat das BAG im konkreten Fall (die Klägerin hatte aufgrund von Kettenbefristungen Rechtsmittel gegen die Universität Leipzig eingelegt) der Revision durch die Uni Leipzig stattgegeben und an die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht, zurückverwiesen. Dennoch stellte das Gericht (faktisch im Vorwort zur eigentlichen Begründung) Rechtsgrundsätze auf, die Hochschul-Arbeitgeber, die aufgrund des WissZeitVG befristen, nicht mehr unterlaufen sollten.

Es ist dementsprechend sinnvoll, vor dem Unterschreiben eines befristeten Vertrages zu klären, welches Qualifizierungsziel damit verbunden ist – und wenn keines erkennbar ist nach Unterschrift und vor Ablauf des Vertrages eine rechtliche Prüfung zu erwägen.

BAG Urteil vom 8.6.2016, 7 AZR 259/14 ECLI:DE:BAG:2016:080616.U.7AZR259.14.07
Urteil und Begründung als pdf