Vorbemerkung
Kaum zu glauben aber wahr: Arbeitsverträge sind generell unbefristet und somit ist die Befristung juristisch gesehen der Ausnahmefall, dem eine gesetzliche Regelung zugrunde liegt. Arbeitsrechtlich wird dies generell durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt und im Wissenschaftsbereich gibt es seit 2007 als Erweiterung dazu das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG).
Ironischerweise war die Ursprungsmotivation für die Einführung des WissZeitVG das Gegenteil seiner letztendlichen Wirkung: Da eine Befristung nach dem TzBfG nur begrenzt möglich ist, sollte der Situation vorgebeugt werden, dass erfahrene Wissenschaftler nicht weiterbeschäftigt werden können. Es sollte ein Anreiz zur Entfristung geschaffen werden.
Der Schuss ist nach hinten losgegangen: Mittlerweile sind bundesweit bis zu 90% der WissenschaftlerInnen befristet angestellt. Dauerstellen sind die große Ausnahme. Mit der Novelle des WissZeitVG vom März 2016 soll nun eine wirksame Eindämmung von Kettenverträgen erreicht werden.
Obwohl die überwiegende Mehrheit von uns davon betroffen ist, ist den Wenigsten bewusst, warum, wie lange und mit welcher Perspektive die eigene Stelle befristet ist. Mit der Veranstaltung am 27.04.2016 wollten wir Raum und Zeit und Ansprechpartner für diese existentiellen Fragen schaffen.
Dazu hatten wir Dr. Jochen Meissner von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eingeladen. Er hat versucht, die sperrige Materie des WissZeitVG Abschnitt für Abschnitt aufzubereiten – und uns mit den guten und den weniger guten Seiten des Gesetzes und dessen Änderungen vertraut zu machen.
Wichtige Auszüge aus dem Gesetz sind:
1. „Die vereinbarte Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist.“ (§2 Abs. 1 Satz 3)
Unser Kommentar: Bedauerlicherweise ist im Gesetz nicht klar benannt, was eigentlich unter ‚Qualifizierung‘ zu verstehen ist. Promotion und Habilitation wären konkrete Qualifikations-Ziele. Aber sonst? Hier ist zu befürchten, dass die Arbeitgeber-Seite sehr kreativ werden kann.
2. Bei Finanzierung aus Mitteln Dritter sollte „die vereinbarte Befristungsdauer […] dem bewilligten Projektzeitraum entsprechen.“ (§2 Abs. 2 Satz 1)
Unser Kommentar: Dies bedeutet, dass die Befristung generell der Laufzeit des Projekts entsprechen soll. Eine eindeutige Verbesserung, denn dadurch sollen kurze Befristungen vermieden werden. Wenn also ein Projekt für drei Jahre geplant wird, sollten WissenschaftlerInnen auch für diesen Zeitraum eingestellt werden – nicht für zunächst ein Jahr befristet, um ‚dann weiterzusehen‘. Auch wenn das für ProjektleiterInnen Optionen bietet, ist es für den die MitarbeiterInnen eine Zumutung immer wieder so kurz befristet zu werden. Aber es gilt abzuwarten, wie dieses Gesetz in der Praxis umgesetzt wird, wenn zum Beispiel KollegInnen aus verschiedenen Töpfen finanziert werden oder Zeiträume bis zur nächsten Bewilligung überbrückt werden müssen.
Eine ausführliche Stellungnahme von VerDi zur Änderung des Gesetzes ist unter dem Link zu finden:
An English version of the document linked above, published by “VerDi”, a labor union, is available here:
Neben dem WissZeitVG gibt es weiterhin die Möglichkeit, Arbeitsverträge nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zu befristen. Danach ist eine sachgrundlose Befristung nur bis zu dreimal verlängerbar. Arbeitgeber werden sich deswegen in der Regel bemühen, Sachgründe aufzulisten, bspw. vorübergehenden Arbeitskräftebedarf, Vertretung, etc. Weitere mögliche Sachgründe enthält das folgende Dokument.
Das ganze WissZeitVG in der Fassung vom März 2016 findet ihr hier:
http://www.gesetze-im-internet.de/wisszeitvg/
Das – deutliche längere – TzBfG ist hier zu finden:
https://www.gesetze-im-internet.de/tzbfg/
Für Fragen stehen wir gerne in der WPR-Sprechstunde (Mo 12-13 Uhr, 15.30-16.30 Uhr) oder im Rahmen eines persönlichen Termins zur Verfügung. Allerdings dürfen wir keine rechtsverbindlichen Auskünfte erteilen. Laut Dr. Meissner und den von uns gelesenen Quellen werden Gerichte in den kommenden Jahren die Aufgabe haben, das Gesetz auf die eine oder andere Weise zu interpretieren. Darauf werden wir euch dann aufmerksam machen.